Samstag, 17. Januar 2009

Er schlägt sie?

Ich zog mit meinen Kindern in ein Haus mit sechs Parteien. Durchwegs nette Leute. Netter Kontakt, im Treppenhaus, im Garten...
Wir fühlten uns wohl. Bis, ja, bis in der Kellerwohnung ein Mann einzog. Lebt wohl alleine, dachte ich und einige Wochen nahm man ihn gar nicht wahr, unter uns. Die Wohnung war wie unsere, nur eben mit Terrasse.

Unsere Katzen machten sich zur Gewohnheit, vom Garten aus einfach hineinzuspazieren in seine Wohnung.
"Es macht mir nichts aus! Lassen sie nur!", meinte er und lächelte freundlich, als ich mich dafür entschuldigte.
Ich wollte keinen näheren Kontakt zu ihm. Ich hatte schon so Probleme genug.

Es paßte mir gut, dass er ebenfalls auf keine weitere Konversation aus war.
"Geben sie ihnen nur nichts, dann verschwinden sie auch wieder!", riet ich ihm abschließend und ging wieder. Das fehlte noch, dass ich täglich in seine Wohnung müßte, um die Miezen einzusammeln!

Dann, eines Tages zog ein weibliches Wesen bei ihm ein, brachte auch einige Möbel mit. Keine Schönheit. Gigantischer Hintern!, bemerkte ich und verglich ihn heimlich mit meinem eigenen. Da komme ich ja noch gut weg, überlegte ich erleichtert.

Sie war sehr schüchtern, konnte einem kaum ins Gesicht schauen. Auch gut, dachte ich. Ich war nicht der Typ, der sich aufdrängte.

Eines Nachts, die Kinder schliefen bereits, ich saß vor dem Fernseher, guckte irgendeinen einen bedrückenden Horrorstreifen, ging es unvermittelt los: Lautes Geschrei, Weinen, klatschende Geräusche, die ich zunächst nicht einordnen konnte. Im ersten Moment ordnete ich sie den Filmgeräuschen zu, als mir plötzlich bewußt wurde, dass das Theater tatsächlich von unten kam!

Mein Gott! Was ist das denn nun?, erschrak ich und mein Herz begann dumpf zu hämmern. Was treiben die da unten? Nur Streitigkeiten waren das nicht mehr! Da waren echte Handgreiflichkeiten mit im Spiel!

Ich ging leise auf den Flur hinaus, öffnete die Wohnungstüre und lauschte in das Treppenhaus hinaus, um sicher zu gehen. Eindeutig! Er schlug sie! Zweifellos! Mein Herz raste inzwischen, als ginge es um mein Leben!

Da kamen böse Erinnerungen in mir hoch, Erinnerungen aus meiner Kindheit, aus meiner Ehe, die gerade eben hinter mir gelassen hatte. Es geht dich doch nichts an!, rief ich mich zur Vernunft!

DOCH! ES GEHT MICH WAS AN!

Wie war das noch vor nicht allzu langer Zeit? Auch mir hatte niemand geholfen, als Pit auf mich losging, mir die Kleider vom Leib gerissen und mich verletzt hatte! Die Hausbewohner hatten sich sehr schön aus den Unannehmlichkeiten herausgehalten. Und immerhin: bei mir waren Kinder anwesend!

"Nein! Nicht!", tönte es von unten. Lautes Klatschen und Getrample quer durch die ganze Kellerwohnung war zu vernehmen. Die anderen über mir und die von gegenüber rührten sich nicht.

Meine Kinder schliefen tief und fest, trotz des langsam immer mehr anschwellenden Lärms.

Jetzt reichts! Wutentbrannt griff ich mit zitternden Händen zum Telefon, rief die Polizei. Kurz schilderte ich die Situation und der Beamte hörte die Geräusche sogar noch durchs Telefon! Fünf Minuten später stand die Streife vor der Tür, läutete zuerst bei mir.
"Ungeheuerlich! Ich kann es nicht mehr hören! So tun sie doch was!", flehte ich den Streifenpolizisten an.
"Ja, ja, das tun wir schon. Geben sie uns nur kurz Ihre Personalien, für unseren Bericht, wissen sie!"

Dann gingen sie die Treppe runter, läuteten an der Wohnungstür. Plötzlich war es totenstill.
Keiner öffnete. Der Beamte klopfte lauter an die Türe: "Machen sie bitte auf, hier ist die Polizei!"

Und wer kam an die Türe? Sie!
"Jaaaaa? Was ist denn?", hörte ich ein leises, erstaunt klingendes Stimmchen.

Das darf doch wohl nicht wahr sein, durchzuckte es mich!
Sie fragt noch, was denn wäre? Die hat Nerven! Ich konnte es nicht fassen!

Ermahnungen an ihn, der offenbar nur sehr zögerlich zur Türe kommen wollte, erfolgten. Leises Gemurmel, Beteuerungen.

Ich zitterte, mein Herz klopfte noch immer wild vor Empörung!
Der tut ja, als wäre nichts gewesen!
Ungeheuerlich! Im wahrsten Sinne des Wortes!

Die beiden Beamten kamen wieder die Treppe herauf, mein fragender Blick sprach wohl Bände.
"Er hat sie angeblich nicht angerührt.", meinte der Polizist mit einem schiefen Lächeln. Ich wußte, was er meinte. Er kannte das sicher schon zur genüge.

"Bis zum nächsten Mal, gute Nacht!", verabschiedete er sich von mir.
Ich wußte, er würde recht behalten.

Und ich ging zurück zu meinem Fernseher. Der Horrorstreifen lief noch. Im Vergleich dazu war der das reinste Lustspiel!

Ich ging zu Bett. Die halbe Nacht habe ich kein Auge mehr zugetan. Vor meinem inneren Auge stieg meine Kindheit wieder auf. Genau wie damals lag ich im Bett und lauschte auf die heftigen Streitigkeiten meiner Eltern aus dem Erdgeschoß.

Nur andere Menschen - die selbe Situation, wurde mir jetzt bewußt. Deshalb das Herzklopfen. Als wäre ich wieder das Kind von damals!

Ich holte tief Luft.
Ich mußte es abschütteln.
Es ging mich im Grunde nichts an...

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