Infoecke Alkoholismus
Quelle: www.pixelio.de Fotograf: Harry Hautumm
Krankheitsverlauf Alkoholismus (nach Jellinek)
Sich über die Krankheit "Alkoholismus" zu informieren, ist für Angehörige von großer Wichtigkeit und Bedeutung. Zwar ändert das bessere Wissen über die Krankheit zunächst nichts an der häuslichen Situation mit dem Trinkenden, dennoch ist es von unschätzbarem Wert, sich unabhängig von der Meinung anderer (andere Familienmitglieder, Freunde, Arbeitskollegen, Nachbarn) zu informieren, um sich aufgrund der Schilderungen zumindest ein erstes Bild davon machen zu können, ob und inwieweit fortgeschritten die Krankheit im konkreten Fall schon ist. Als sehr aufschlussreich und fundiert haben sich diesbezüglich die Forschungsergebnisse des amerikanischen Physiologen Elvin Morton Jellinek erwiesen, dessen Modell mit dem Namen
"Ursprünglich angenommener Krankheitsverlauf"
zur Beurteilung der Phasen von Alkoholismus bis heute in Fachkreisen große Beachtung findet.
Anmerkung zum Text selbst:
Zur besseren Verständlichkeit habe ich die nachfolgenden Artikel (Quelle: Wikipedia) in Passagen abgeändert, Fachbegriffe in Grundzügen erläutert, (blauer Text - teilweise in Klammern gesetzt) sowie speziell die für Angehörige aufschlußreichen Hinweise auf eine vorliegende Alkoholsucht in blau gekennzeichnet.
Nach meinen eigenen Erfahrungen sind die dort geschilderten Verhaltensweisen für die Erkrankung sehr typisch und werden in unseren Selbsthilfegruppen sehr oft von den Angehörigen alkoholkranker Menschen hinterfragt.
Der Einfachheit halber wird im Text - wie im Deutschen üblich - meist die männliche Form gewählt. Um Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich erwähnen, dass "die Angehörigen" und "der Betroffene" naturgemäß Frauen sowie auch Männer sein können.
1. Symptomatische Phase
Der Beginn des Konsums alkoholischer Getränke ist immer sozial motiviert (in Gesellschaft oder gerade unter Gleichgesinnten trinkt sich's ungenierter). Im Gegensatz zu durchschnittlichen Trinkern empfindet der spätere Alkoholiker befriedigende Erleichterung, entweder weil seine inneren Spannungen größer sind oder er – im Gegensatz zu anderen – nicht gelernt hat, mit diesen umzugehen. Anfangs schreibt der Trinker seine Erleichterung eher der Situation zu (lustige Gesellschaft) als dem Trinken. Er sucht Gelegenheiten, bei denen beiläufig getrunken wird.
Im Laufe von Monaten bis Jahren lässt seine Toleranz für seelische Belastungen so sehr nach, dass er praktisch tägliche Zuflucht im Alkohol sucht. Da er nicht offen betrunken ist, erscheint sein Trinken weder ihm noch seiner Umgebung verdächtig. (!!!) Mit der Zeit erhöht sich die Alkoholtoleranz (Gewöhnung an den Alkohol). Der Alkoholiker trinkt immer mehr. Nach weiteren Monaten bis Jahren geht das Stadium vom gelegentlichen zum dauernden Erleichterungs-/Entlastungstrinken über. Für die gleiche Wirkung benötigt er immer mehr Alkohol.
2. Vorläufer-Phase
In der Vorläufer-Phase (prodromale Phase) der Abhängigkeit können plötzliche Erinnerungslücken, Amnesien (Gedächtnisstörungen, "Blackout" oder auch bekannt als "Filmriß") ohne Anzeichen von Trunkenheit auftreten. Der Trinker kann Unterhaltungen führen und Arbeiten leisten, sich aber am nächsten Tag tatsächlich nicht mehr erinnern. Bier, Wein, und Spirituosen hören auf, Getränke zu sein, werden zur dringend benötigten Droge (Medizin). Dem Trinker wird allmählich bewusst, dass er anders trinkt als andere. Er beginnt, sich zu schämen und vor Beurteilung durch andere zu fürchten. Er trinkt heimlich bei geselligen Gelegenheiten und legt sich Verstecke mit größeren Alkoholvorräten an. Der Alkoholiker denkt dauernd an Alkohol. Wegen der verstärkten Abhängigkeit tritt das „gierige Trinken“ auf, das Herunterkippen des ersten Glases oder der ersten Gläser. (Manche trinken gezielt vor gesellschaftlichen Ereignissen, um einen alkoholischen "Vorsprung" zu haben). Der Alkoholiker spürt, dass etwas nicht stimmt, und entwickelt Schuldgefühle und Scham wegen seiner Trinkart. Er vermeidet Anspielungen auf Alkohol und Trinkverhalten in Gesprächen (und wechselt dann schnell das Thema).
Oft verdrängt er eigentliche Bedürfnisse oder ist zu depressiv, etwas zu ändern. Teils entlähmt der Alkohol, hilft, wie gehabt zu funktionieren.
Der Alkoholkonsum ist bis hierhin schon hoch, fällt aber nicht besonders auf, da er zu keinem deutlichen Rausch führt. Diese Phase endet mit „zunehmenden Gedächtnislücken“. Durch die täglichen Betäubungen mit Alkohol verändern sich Nerven- und Stoffwechselvorgänge. Die körperliche Leistungsfähigkeit und Abwehrkräfte nehmen langsam ab. Es kommt häufiger zu Erkältungskrankheiten oder Kreislaufstörungen.
3. Die kritische Phase
In der kritischen Phase erleidet der Kranke Kontrollverluste, was heißt, dass er schon nach dem Konsum kleiner Mengen Alkohols ein intensives Verlangen nach mehr in ihm aufkommt, was sich erst dann legt, wenn der Trinker zu betrunken oder zu krank ist, um mehr zu trinken (Fachausdruck: Craving). Ein Rest von Kontrolle besteht noch.
Allgemeines Verhalten in dieser Phase:
Der Betroffene versucht, sich zu „beherrschen“. (Er glaubt, er könne sein Trinkverhalten mit genügend Willenskraft in den Griff bekommen)
Er verspricht Abstinenz und versucht, sie auch einzuhalten, scheitert damit aber auf Dauer.
Er sucht Ausreden für sein Trinken.
Jeder Kontrollverlust habe einen guten äußeren Grund gehabt.
Die Erklärungsversuche seines Verhaltens sind ihm wichtig, da er außer dem Alkohol keine anderen Lösungen seiner Probleme kennt. Parallel erweitert sich ein ganzes Erklärungssystem, das sich auf das gesamte Leben ausdehnt. Er wehrt sich damit gegen soziale Belastungen. Wegen seiner Persönlichkeitsveränderung entstehen immer häufiger Streitigkeiten mit der Familie. Der Süchtige kompensiert sein schrumpfendes Selbstwertgefühl durch gespielte übergroße Selbstsicherheit nach außen.
Das Erklärungssystem und die Konflikte isolieren den Kranken zunehmend. Er sucht aber die Fehler nicht bei sich, sondern bei den anderen und entwickelt ein auffälliges Verhalten.
Als Reaktion auf den sozialen Druck durchlebt mancher Kranke Perioden völliger Abstinenz (Anlaß zu vorschnellen Hoffnung bei den Angehörigen, der Betroffene hätte seine Sucht bereits "im Griff") Er versucht nun andere Methoden (Tricks), sein Trinken zu kontrollieren. Er ändert das Trinksystem und stellt Regeln auf (nur bestimmte Alkoholarten an bestimmten Orten zu bestimmten Zeiten ("Ich trinke nie am Arbeitsplatz", "Ich trinke nur abends mal ein, zwei Gläser Wein"). Dabei trifft er oft auf mangelndes Verständnis seiner Umgebung („Ein Bier ist doch o.k.“, „Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren“, „Zwischen Leber und Milz passt immer noch ein Pils“, "Mehr als drei Bier trinke ich nicht"). Der Trinker verliert das Interesse an seiner Umgebung, richtet seine Tätigkeiten nach dem Trinken aus und entwickelt ein auffallendes Selbstmitleid. Die soziale Isolation (Vereinsamung) und die Verstrickung in Lügen und Erklärungen sind besonders auffällig. Wenn vom Trinken die Rede ist, wird er sehr schnell aggressiv.
Das Familienleben verändert sich. Die Familie, die den Trinkenden oft noch „deckt“ (Co-Alkoholismus, Co-Abhängigkeit), isoliert sich gesellschaftlich oder – ganz im Gegenteil – flüchtet sich vor dem häuslichen Umfeld in ausgiebige Aktivitäten ausserhalb des Hauses, (um mit dem Trinkenden nicht zusammen sein zu müssen.) Der Alkoholiker reagiert mit grundlosem Unwillen. Er merkt, dass man ihm aus dem Wege geht und seine Gesellschaft offensichtlich meidet. Viele Alkoholiker entwickeln in dieser Phase eine ausgeprägte, krankhafte Eifersucht gegenüber ihren Partnern, unterstellen ihnen Seitensprünge oder zumindest die ständige Bereitschaft dazu, was auf sein angeschlagenes Selbstwertgefühl zurückzuführen ist.
Wenn der „Stoff“ fehlt, startet er abenteuerliche Beschaffungsversuche. Er versucht, seinen Vorrat zu sichern, indem er Alkohol an den ungewöhnlichsten Orten versteckt.
Körperlich sichtbare, den Angehörigen auffallende Folgen treten auf, wie Händezittern, Schweißausbrüche und sexuelle Störungen wie Impotenz.
Die chronische Phase
Die chronische Phase endet in der Zerstörung des Menschen.
Der Alkoholiker baut ethisch ab,
(ihm ist alles egal, prallt einfach an ihm ab. Selbst dramatische Ereignisse z.B. in der Familie können ihn nicht mehr "wachrütteln". Er wirkt völlig teilnahms-, und gefühllos.
Rauschzustände werden länger.
Bei einigen treten alkoholische Psychosen (Geisteskrankheiten) wie Schizophrenie auf.
Der Alkoholkranke kann sich und die Geschehnisse in seinem Umfeld nicht mehr in Einklang bringen und neigt manchmal zu Affekthandlungen mit starken Gefühlsschwankungen, denen er sich oft nicht bewußt wird.Der Betroffene trinkt mit Personen weit unter seinem bisherigen sozialen Niveau.
(Das Gefühl, "noch besser als die" zu sein, hebt vorübergehend seine durchwegs trübe Stimmung und verleiht ihm den Eindruck einer Art von "Ersatzfamilie", in deren Kreis er sich ungeniert seinem Alkoholkonsum hingeben kann).Er ist inzwischen sehr stark abhängig geworden und ist auf die ununterbrochene Vesorgung von Alkohol angewiesen. Falls keine alkoholischen Getränke verfügbar sind, geniert er sich nicht, andere um Alkohol anzubetteln, vor allem dann, wenn er gesundheitlich nicht mehrin der Lage ist, sich selbst welchen zu besorgen. Dann konsumiert er unter Umständen sogar vergällten Alkohol (etwa Brennspiritus).
Es gab auch schon Alkoholiker, die Rasierwasser getrunken haben! Ein Verlust der Alkoholtoleranz fällt im persönlichen Umfeld auf. Der Trinker verträgt plötzlich auffallend wenig
und ist bereits nach verhältnismäßig geringen Mengen betrunken, was vor allem am Stammtisch für Lachsalven sorgt.
Es treten (
immer öfter tagsüber und sehr oft auch Nachts, wenn der Körper im Schlaf plötzlich in den Entzug fällt,) undefinierbare Angstzustände und starkes Zittern auf
(manchmal zittert und zuckt der ganze Körper so sehr, dass Essen und Trinken unmöglich wird). Auf Entzugssymptome,
(die sich jetzt relativ schnell einstellen), reagiert der Alkoholiker mit zwanghaft maßlosem Trinken
(sehr oft bis zur Bewußtlosigkeit). Viele Alkoholiker entwickeln unbestimmte religiöse Wünsche. Die Erklärungsversuche werden schwächer; es kommt der Punkt, an dem das Erklärungssystem versagt. Der Süchtige gibt seine Niederlage zu. Der Kranke bricht zusammen, nicht wenige begehen Selbstmord.
Trinkt der Kranke weiter, treten im Alkoholdelirium
(Irresein, Verwirrtsein) Alkoholpsychosen mit Halluzinationen
(Wahnvorstellungen), Stimmenhören, Angst, Desorientierung auf. Die schwerste Folge ist das lebensgefährliche Delirium tremens,
(ein ernster und lebensbedrohlicher Zustand) das bei plötzlichem Alkoholentzug auftreten kann. Jetzt werden auch Schizophrenie oder Epilepsie mit lebensbedrohlichen Zuständen offensichtlich. In dieser Endphase ist der Kranke am ehesten bereit, Hilfe anzunehmen. Eine Einweisung in eine spezielle Entgiftungsklinik ist für ihn lebensrettend – und der mögliche Einstieg in eine Entwöhnungsbehandlung.
Quelle:
www.wikipedia.deAnmerkung:
In akuten Fällen wie diesen muss der Betroffene sofort in eine Klinik gebracht werden, um Hilfe für ihn einzuleiten! Verständigen Sie Hausarzt oder Notarzt! Falls der Betroffene offensichtliche Wahnvorstellungen hat und anfängt zu randalieren, rufe sofort die Polizei! Auch Du kannst dadurch gefährdet sein, da Dich der Alkoholiker in seinem Wahn nicht mehr erkennen könnte oder Dich fälschlicherweise als Auslöser seiner Ängste sieht!